Verfahrensarten | Lieferungen (Auftragswert CHF) | Dienstleistungen (Auftragswert CHF) | Bauarbeiten (Auftragswert CHF) | |
Baunebengewerbe | Bauhauptgewerbe | |||
Freihändige Vergabe | unter 150’000 | unter 150’000 | unter 150’000 | unter 300’000 |
Einladungsverfahren | unter 250’000 | unter 250’000 | unter 250'000 | unter 500’000 |
offenes / selektives Verfahren | ab 250’000 | ab 250’000 | ab 250’000 | ab 500’000 |
Die neuen Schwellenwerte ausserhalb des Staatsvertragsbereichs
Mit der neuen IVöB werden die Schwellenwerte, ab denen ein Einladungs- bzw. offenes oder selektives Verfahren durchgeführt werden muss, zwischen dem Bund und den Kantonen weitgehend vereinheitlicht. Nach wie vor haben die Gemeinden die Möglichkeit eigene tiefere Schwellenwerte festzulegen.
Für kantonale Beschaffungen ändert sich nur ein Schwellenwert: Lieferungen sind im freihändigen Verfahren statt bis CHF 100'000 neu bis CHF 150'000 exkl. MwSt möglich.
Im Übrigen, auch im Staatsvertragsbereich, ändern sich die Schwellenwerte nicht. Die staatsvertraglichen Schwellenwerte werden jedoch möglicherweise später aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen angepasst.
Die Erhöhung des Schwellenwerts für Lieferungen ermöglicht vermehrt das freihändige Beschaffen von Gütern im freihändigen Verfahren bei kleinen Aufträgen.
Mit der Vereinheitlichung des Schwellenwerts für Güter und Dienstleistungen entfallen auch bisher teils auftretende Abgrenzungsprobleme, z.B. bei Aufträgen, die sowohl Lieferungen wie auch Dienstleistungen umfassen.
Bauaufträge betreffen alles, was unmittelbar physisch zur Veränderung einer unbeweglichen Sache beiträgt, inkl. Renovationen, aber nicht Architektur- oder Ingenieurleistungen, oder die blosse Lieferung von Baumaterial. Bauaufträge werden weiter unterteilt in:
Die Voraussetzungen für überschwellige freihändige Vergaben bleiben weitgehend dieselben. Die Regeln für Folgebeschaffungen wurden zusammengefasst und die Möglichkeiten für Folgeaufträge an Gewinner von Wettbewerben und Studienaufträgen erweitert.
Zunächst wird geprüft, ob eine Ausnahme von der Vereinbarung (Art. 10 revIVöB) zur Anwendung kommt. Aufträge, welche nicht unter den Geltungsbereich der Vereinbarung fallen, müssen nicht publiziert werden. Sie dürfen aber nicht diskriminierend, protektionistisch oder unverhältnismässig erfolgen.
Überschwellige freihändige Vergaben (also der Verzicht auf eine Ausschreibung bzw. ein Einladungsverfahren, obwohl ein Schwellenwert erreicht ist) können erfolgen, wenn gesetzliche Ausnahmetatbestände erfüllt sind: Bei Ausnahmen in der Vereinbarung (Art. 21 revIVöB) müssen die Aufträge vor dem Vertragsschluss mindestens im Staatsvertragsbereich, und je nach kantonalem Recht auch darunter, auf simap.ch publiziert werden.
Inhaltlich ändert sich namentlich Folgendes:
Folgevergaben (Art. 21 Abs. 2 Bst. e revIVöB)
Der neue Art. 21 Abs. 2 Bst. e fasst verschiedene Tatbestände des bisherigen Rechts zum Thema Folgevergaben zusammen. Freihändige Folgevergaben sind neu zulässig, wenn ein Anbieterwechsel unmöglich, sehr schwierig oder teuer wäre. Nicht mehr zulässig sind daher Folgevergaben alleine gestützt auf einen Vorbehalt in der Ausschreibung.
Gründe für solche Folgevergaben können darin liegen, dass Materialien, Dienstleistungen, Anlagen und Leistungen (wie Software) nicht beliebig austauschbar sind, z.B. weil die Kompatibilität mit bestehenden Komponenten gesichert sein muss. Die Mehrkosten müssen nicht nur in absoluten Zahlen hoch sein, sondern sie müssen auch in keinem angemessenen Verhältnis zum Auftragswert stehen. Zu den Mehrkosten gehören auch Überführungs- und Einrichtungskosten und Kosten für die Einarbeitung des neuen Anbieters.
Um Umgehungen zu verhindern, halten die Erläuterungen fest: Folgeaufträge benötigen einen vergaberechtskonformen Grundauftrag. Erreicht der Auftragswert der Folgebeschaffung den Schwellenwert eines Verfahrens, muss auch der Grundauftrag so beschafft worden sein. Der Auftragswert aller Folgeaufträge darf in der Regel nie höher sein als der Auftragswert des Grundauftrags. Es ist also weiterhin nicht zulässig, einen kleinen Auftrag freihändig zu vergeben und dann viele grosse Folgeaufträge damit zu begründen.
Zwecks Transparenz und Rechtsschutz ist im Kanton Bern, in Abweichung von der IVöB, vorgesehen, dass überschwellige freihändige Zuschläge, unabhängig ob im Staatsvertragsbereich oder nicht, stets publiziert werden müssen (Art. 14 Abs. 1 EV IVöB).
Nach einem gesetzeskonformen Wettbewerb oder Studienauftrag kann der Folgeauftrag unter den in Bst. i erwähnten Voraussetzungen an den Gewinner dieses vorausgehenden Verfahrens vergeben werden. Planungs- oder Gesamtleistungswettbewerbe sind nicht nur bei Bauleistungen, sondern beispielsweise auch bei intellektuellen Dienstleistungen möglich.
Die Umsetzung der neuen Folgefreihänder-Tatbestände wird sich in der Praxis noch etablieren müssen. Grundsätzlich scheint die Begründung eines Folgeauftrages nach Art. 21 Abs. 2 Bst. e revIVöB eher vereinfacht worden zu sein.
Die Ausschreibung von Studienaufträgen könnte beispielsweise auch bei komplexen Dienstleistungsbeschaffungen an Beliebtheit gewinnen, nicht zuletzt infolge der Möglichkeit, den Folgeauftrag nach Art. 21 Abs. 2 Bst. e revIVöB freihändig zu vergeben.
Die revidierte Bestimmung zu Wettbewerben und Studienaufträgen öffnet diese Verfahren auch für Leistungen ausserhalb des Baubereichs und schafft eine gesetzliche Grundlage für den Studienauftrag und damit ein weiteres Instrument zur Förderung des Qualitätswettbewerbs.
Wie im bisherigen Art. 13 Abs. 3 BöB, wird für die Regelung von Wettbewerben und Studienaufträgen auch im Art. 22 revBöB auf die Verordnung verwiesen. Neu aufgeführt werden im Gesetz allerdings die Themenkreise, welche der Bundesrat zu regeln hat. Daraus ergeben sich folgende zentrale Neuerungen:
Neu besteht eine gesetzliche Grundlage, das bisher fast ausschliesslich im Baubereich angewandte Wettbewerbs- und Studienauftragsverfahren auch für andere Branchen zu wählen. Das Gesetz nennt hier explizit den Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (vgl. Art. 22 Abs. 2 lit. e revBöB). Dies wird insbesondere dadurch gefördert, indem die Regelungsdichte der diesbezüglichen Bestimmungen in der Verordnung auf die in Art. 22 revBöB aufgeführten zwingenden Vorgaben reduziert wurde (vgl. Art. 13 ff. revVöB). Weiterführende und ergänzende Bestimmungen können branchenspezifisch mittels Weisungen des Eidgenössischen Finanzdepartements EFD auf Antrag der Beschaffungskonferenz des Bundes BKB und der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren KBOB erlassen werden (vgl. Art. 19 revVöB).
Während der Wettbewerb anonym durchgeführt wird und erfordert, dass die Aufgaben bereits klar durch die Vergabestelle definiert werden können, findet beim Studienauftrag ein Dialog zwischen dem Expertengremium und den Anbieterinnen statt. Damit eignet sich der Studienauftrag für Aufgaben, welche eine offene Aufgabenstellung und interaktive Prozesse erfordern. Wie der Wettbewerb kann auch der (korrekt durchgeführte) Studienauftrag Grundlage für eine freihändige Vergabe nach Art. 21 Abs. 2 lit. i revBöB sein. Dieses Verfahren wird neu gesetzlich verankert und ist eine weitere zentrale Neuerung im Bereich der Wettbewerbe und Studienaufträge.
Die neu gesetzlich verankerte Möglichkeit, die Vorteile des Wettbewerbs- und Studienauftragsverfahren auch ausserhalb des Baubereichs zu nutzen, könnte Auswirkungen auf die Praxis haben. So könnte beispielsweise die (verhältnismässig) offene Formulierung der Zuschlagskriterien und der damit verbundene breite Ermessensspielraum des Expertengremiums zur Förderung der Innovation im Bereich der intellektuellen Dienstleistungen eingesetzt werden. Dabei wird die Objektivität dadurch gesichert, dass das Expertengremium mehrheitlich aus unabhängigen Fachleuten zusammengesetzt ist und die Eingaben (zumindest beim Wettbewerb) anonym erfolgen.
Aus Art. 22 revBöB, wonach die Auftraggeberin «auf einschlägige Bestimmungen von Fachverbänden verweisen kann», geht hervor, dass auch nach neuem Recht diese Bestimmungen eine hohe Relevanz haben werden. Für den Baubereich verfügt der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverband SIA über Ordnungen (SIA-Ordnung 142 und 143), welche in der Branche etabliert und breit anerkannt sind. Für Branchen ausserhalb des Baubereichs besteht nun die Chance, solche Ordnungen ebenfalls zu erlassen.
Zwecks Transparenz und Rechtsschutz müssen im Kanton Bern freihändige Zuschläge über dem Schwellenwert des offenen oder selektiven Verfahrens weiterhin stets publiziert werden (Art. 14 Abs. 1 IVöBV), unabhängig davon, ob sie den Staatsvertragsbereich betreffen oder nicht.